Fehler in der Erziehung passieren nicht, weil du ein schlechter Mensch bist. Sie passieren, weil du liebst – und gleichzeitig versuchst, in einem emotionalen Dschungel irgendwie die Machete richtig zu halten.
Du liebst dein Kind. Du reißt dir ein Bein aus. Und trotzdem fragst du dich manchmal heimlich: „Warum gerät das trotzdem aus dem Ruder?“ Oder: „Wieso bin ich nach einem Tag mit meinem Kind so müde und trotzdem irgendwie… schuldig?“
Tief drin spürst du’s: Irgendwas läuft da schief. Und du hast keine Lust mehr auf Ratgeber, die mit dem Finger zeigen oder dir sagen, wie perfekt du alles machen musst.
Hier geht’s nicht um Schuld. Sondern um Ehrlichkeit. Um das, was du im Alltag übersiehst – nicht, weil du ignorant bist, sondern weil du dein Bestes gibst in einem System, das dir nie erklärt hat, wie echte Verbindung geht.
Und genau die zeig ich dir. Ohne Druck. Ohne Urteil. Aber mit klaren Worten.
Lass uns loslegen.
Todsünde 1: Emotionen kleinreden – „So schlimm ist das doch gar nicht“

Ein Kind fällt hin, schlägt sich das Knie auf und weint. Und was sagen viele Eltern reflexartig? „Ach, das ist doch nicht so schlimm.“ Oder: „Du bist doch schon groß, das ist doch nichts.“
Gut gemeint? Ja.
Gut gemacht? Leider nein.
Viele Fehler in der Erziehung entstehen genau an dieser unscheinbaren Stelle – wenn wir glauben, trösten zu müssen, indem wir das Gefühl des Kindes wegwischen. Doch Kinder brauchen in solchen Momenten kein Schönreden. Sie brauchen einen Spiegel. Jemanden, der kurz innehalten kann, der hinsieht – und nicht sofort versucht, den Schmerz zu glätten.
Wenn ein Kind traurig, wütend oder überfordert ist, dann fühlt es das ganz real. Auch wenn wir Erwachsene die Situation vielleicht völlig anders bewerten würden. Für das Kind ist das Gefühl gerade alles. Es nimmt Raum. Es braucht Raum.
Statt zu sagen: „Ist doch nicht so schlimm“, kann ein einfacher Satz wie „Das tut gerade richtig weh, oder?“ Welten verändern.
Denn was dann passiert, passiert im Nervensystem. Wenn ein Gefühl gespiegelt wird, wenn ein Kind sich gesehen und verstanden fühlt, beginnt das Gehirn, sich selbst zu regulieren. Emotionen fließen ab. Die innere Spannung sinkt. Und es entsteht Verbindung.
Vielleicht denkst du jetzt: „Aber wenn ich das Gefühl bestätige, steigert sich mein Kind doch nur noch mehr rein?“
Ein nachvollziehbarer Gedanke – aber ein Trugschluss. Denn Gefühle, die unterdrückt werden, verschwinden nicht. Sie stauen sich. Gären. Kommen später als Wut oder Rückzug zurück.
Gefühle, die gesehen werden, dürfen gehen. Und genau darin liegt die Kraft.
Todsünde 2: Lob als Konditionierung – „Ich bin stolz auf dich, weil du…“

Lob ist gut. Oder?
Wir alle wollen unsere Kinder stärken. Wir sagen Dinge wie: „Toll gemacht!“ oder „Ich bin so stolz auf dich, weil du so brav warst.“ Doch oft wird Lob zur Währung. Zur Belohnung für Gehorsam. Zur stillen Erwartung: Sei gut – dann bekommst du Zuwendung.
Der Haken? Das Kind lernt, dass sein Wert an Leistung gekoppelt ist. Dass es dann „gut“ ist, wenn es funktioniert.
Und das ist ein gefährlicher Nährboden für Unsicherheit. Denn was passiert, wenn es mal nicht klappt? Wenn das Kind scheitert, wütend ist, Regeln bricht? Dann bröckelt das Bild. Dann fragt es sich: Bin ich dann noch liebenswert?
Ein echter Perspektivwechsel beginnt, wenn wir das Lob nicht als Bewertung, sondern als ehrliches Wahrnehmen formulieren.
Nicht: „Ich bin stolz, weil du den Ball ins Tor geschossen hast.“
Sondern: „Ich hab gesehen, wie sehr du dich angestrengt hast. Das war stark.“
So entsteht etwas Wertvolles: ein innerer Antrieb. Das Kind merkt: Ich werde nicht für Leistung geliebt – sondern für mein Sein, mein Tun, mein Wollen.
Und nein – das heißt nicht, dass Belohnungen grundsätzlich schlecht sind. Natürlich darf man Freude zeigen. Natürlich darf man sich über Erfolge freuen.
Aber das Fundament sollte immer sein: Du bist genug – egal ob du gewinnst oder verlierst.
Todsünde 3: Dauerstress normalisieren – „So ist das Leben eben“

Viele Eltern sind im Dauerlauf-Modus. Aufstehen, Brotdosen, Kita, Arbeit, Termine, Haushalt – repeat.
Stress wird Alltag. Reizüberflutung Standard. Und irgendwie schleicht sich der Gedanke ein: „Tja, das ist eben das Leben.“
Das Problem? Kinder übernehmen das. Nicht bewusst. Nicht sofort. Aber sie spüren es.
Sie nehmen die Hektik wahr. Die Unruhe. Die Unsichtbarkeit. Und irgendwann verinnerlichen sie: „Ich muss mich beeilen. Ich muss leisten. Ich darf nicht nerven.“
Das sind unsichtbare Fehler in der Erziehung, die nichts mit Absicht zu tun haben – sondern mit Tempo.
Aber was wäre, wenn du deinem Kind jeden Tag nur fünf Minuten gibst, in denen es nichts leisten muss?
Keine Fragen. Keine Belehrungen. Kein Bildschirm. Nur Nähe.
Ein Abendritual: gemeinsam atmen, kuscheln, still sein.
Oder morgens: eine Berührung, ein Blick, ein einfaches „Ich bin da“.
Diese Mini-Inseln sind wie ein sicherer Hafen im Sturm.
Sie signalisieren: Du bist mir wichtiger als jede To-do-Liste. Deine Seele zählt. Deine Ruhe auch.
Und ja – du hast wenig Zeit. Aber das hier sind fünf Minuten, die mehr heilen als fünf Stunden Erklärungen.
Todsünde 4: Reden, erklären, belehren – statt echtes Gespräch

Du willst, dass dein Kind versteht, warum etwas falsch war. Du willst ihm Werte mitgeben. Logik. Moral.
Also redest du. Du erklärst. Du führst Monologe.
Aber hast du mal in das Gesicht deines Kindes geschaut, wenn du das tust?
Oft schalten Kinder ab. Nicht aus Trotz – sondern weil sie sich überfordert fühlen.
Das Problem liegt im Machtgefälle.
Wenn ein Erwachsener redet – und redet – und redet, bleibt fürs Kind nur zuhören. Still sein. Abnicken.
Aber echte Verbindung braucht Raum. Fragen. Pausen.
Ein kleiner Trick mit großer Wirkung ist die 3-Sekunden-Regel: Stelle eine Frage – und halte dann einfach den Mund.
Zum Beispiel: „Was glaubst du, warum ist das gerade passiert?“
Dann: Stille. Kein Nachschieben. Kein Druck.
Vielleicht sagt dein Kind nichts. Vielleicht schweigt es.
Und das ist okay. Denn Schweigen ist auch Kommunikation. Es zeigt: Ich denke nach. Ich sortiere mich. Ich fühle mich sicher genug, um nicht gleich zu antworten.
Wenn Kinder merken, dass sie nicht überredet werden – sondern gehört – fangen sie an, Verantwortung zu übernehmen.
Nicht aus Angst. Sondern aus Einsicht.
Todsünde 5: Liebe zeigen – aber nur im „richtigen Moment“

„Jetzt hast du dir aber eine Umarmung verdient.“
Klingt nett. Ist nett. Aber es steckt etwas Tückisches dahinter.
Denn was passiert, wenn das Kind nicht brav war? Wenn es wütet, schreit, trotzt? Dann bleibt die Zuwendung oft aus.
Die stille Botschaft: Liebe gibt’s nur, wenn du funktionierst.
Das Kind lernt: Ich bin nur liebenswert, wenn ich ruhig, angepasst und fröhlich bin.
In schwierigen Momenten fühlt es sich dann schnell falsch. Nicht genug. Abgelehnt.
Doch genau in diesen Momenten braucht es Nähe. Nicht als Belohnung – sondern als Zeichen: Du bist sicher. Auch jetzt. Gerade jetzt.
Ein Satz wie „Ich sehe, dass du gerade richtig wütend bist. Und ich hab dich trotzdem lieb“ kann Wunder wirken.
Er zeigt: Ich sehe deinen Sturm – aber ich verlasse dich nicht.
Das ist keine Schwäche. Das ist emotionale Sicherheit.
Und nein – das heißt nicht, dass es keine Konsequenzen gibt.
Aber Konsequenzen dürfen niemals mit Liebesentzug vermischt werden.
Erziehung braucht Klarheit – ja. Aber sie braucht noch mehr: Verbindung.
Denn aus Verbindung wächst Vertrauen. Und aus Vertrauen wächst Verantwortung.
Fehler in der Erziehung: Kurzer Nachtrag
Diese fünf Fehler in der Erziehung schleichen sich leise ein. Oft aus Liebe. Oft aus Überforderung. Und fast immer unbemerkt.
Doch sie lassen sich erkennen. Und verändern. Ohne Perfektion. Ohne Schuldgefühle. Sondern mit echter Präsenz. Mit ehrlicher Reflexion.
Denn Elternsein heißt nicht, alles richtig zu machen – sondern bereit zu sein, es besser zu machen, sobald man es erkennt.
Wenn Hinsehen plötzlich Mut bedeutet
Vielleicht fühlst du dich jetzt ein bisschen aufgewühlt.
Ein bisschen ertappt.
Ein bisschen wie: „Mist… hab ich das echt schon so gemacht?“
Und ja – hast du vielleicht. Weißt du was? Fast jeder hat.
Denn keiner von uns bekommt einen Fahrplan mit, wenn ein kleines Herz in unsere Hände gelegt wird.
Wir lieben. Wir versuchen. Wir rennen. Und manchmal… verletzen wir, obwohl wir nur schützen wollten.
Wenn du gerade denkst: „Ich wollte doch alles richtig machen“,
dann weißt du, dass dein Herz am richtigen Ort ist.
Diese fünf Erkenntnisse waren kein Urteil. Sie waren ein Spiegel.
Nicht um dich zu beschämen – sondern um dir zu zeigen:
Du kannst heute anders wählen.
Du musst nicht alles auf einmal ändern.
Aber du kannst anfangen, kleine Momente groß zu machen.
Ein Blick, der nicht bewertet.
Ein Satz, der nicht belehrt.
Eine Umarmung, die nicht verdient werden muss.
Dein Kind braucht nicht die perfekte Version von dir.
Es braucht deine Wahrheit. Deine Präsenz. Deinen Mut, hinzusehen – selbst wenn’s unbequem wird.
Denn genau da beginnt echte Erziehung:
Nicht bei der Kontrolle.
Sondern bei der Verbindung.
Und weißt du was?
Wenn du diesen Text bis hierher gelesen hast, dann bist du schon längst auf dem richtigen Weg.
Also… weitergehen. Nicht perfekt. Aber echt.
Dein Kind wird es spüren. Und du auch.
Häufig gestellte Fragen
Was sind häufige Fehler in der Erziehung?
Häufige Fehler in der Erziehung sind das Kleinreden von Gefühlen, Lob als Druckmittel, Dauerstress, Monologe statt Dialoge und bedingte Liebe. Diese wirken sich negativ auf das Selbstwertgefühl und die emotionale Sicherheit des Kindes aus.
Wie kann ich Erziehungsfehler vermeiden?
Indem du bewusst wirst: Gefühle spiegelst, echtes Interesse zeigst, Stress entschleunigst, Fragen stellst statt zu belehren und Liebe bedingungslos gibst – besonders in schwierigen Momenten.
Ab wann schaden Erziehungsfehler einem Kind?
Nicht jeder Fehler ist sofort schädlich. Entscheidend ist, ob negative Muster dauerhaft sind und ob das Kind emotionale Sicherheit und echte Verbindung erfährt. Veränderung ist jederzeit möglich.